EDA-Leitlinien für die Förderung der Demokratie
Demokratie und Gouvernanz sind ein thematischer Schwerpunkt der neuen Aussenpolitischen Strategie des Bundesrats. Um diesen Schwerpunkt umzusetzen, hat das EDA am 07. Mai 2025 die Leitlinien Demokratie 2025-2028 veröffentlicht. Sie legen die konzeptionelle Grundlage für klare Ziele und Massnahmen dar, um die Widerstandsfähigkeit der Demokratie weltweit zu fördern und das Profil der Schweiz in der Demokratieaussenpolitik zu schärfen.

Das EDA hat am 7. Mai 2025 Leitlinien für die Förderung der Demokratie veröffentlicht. © Keystone
Die Demokratie steht weltweit vor grossen Herausforderungen. Über 70% der Weltbevölkerung lebten Ende 2024 unter autoritären Regierungen. Diese sind oft über ihre eigenen Grenzen hinaus aktiv, um mit sogenannter «Sharp Power» die Entstehung neuer Demokratien zu verhindern oder bestehende zu schwächen. Dies geschieht beispielsweise über die Verbreitung von Desinformation, die Förderung wirtschaftlicher Abhängigkeiten, bis hin zur Verfolgung von Kritikerinnen und Kritikern. Gleichzeitig sieht sich die Demokratie von innen mit Herausforderungen konfrontiert. Wirtschaftliche und soziale Ungleichheit nehmen vielerorts zu. Darüber hinaus gibt es die verbreitete Wahrnehmung, dass Demokratien nicht in der Lage seien, den grossen Herausforderungen der Gegenwart – von Migration bis hin zu Klimawandel – effizient und rasch zu begegnen. Dies hat zu einer Entfremdung von Bürgerinnen und Bürgern von den politischen Eliten, zur Marginalisierung von Bevölkerungsgruppen und zu einem Vertrauensverlust in demokratische Institutionen beigetragen.
Das primäre Ziel der neuen Leitlinien Demokratie 2025-2028 des EDA ist es, die demokratische Widerstandsfähigkeit von Gesellschaften und Staaten und damit die Demokratien weltweit zu stärken. Dies umfasst insbesondere den Schutz bestehender demokratischer Institutionen und Prozesse in Kontexten, die bereits über ein gewisses Mass an Demokratie verfügen. Vor dem Hintergrund der demokratischen Rezession geht es in den kommenden Jahren vor allem darum, die demokratische Welt zu sichern und nicht darum, diese zu erweitern.
Was ist Demokratie?
Demokratie ist ein ständiger Entwicklungsprozess ohne allgemeingültige Definition. Sie beinhaltet transparente Wahlen, Meinungsfreiheit, Minderheitenschutz, eine unabhängige Justiz und Gewaltenteilung. Auch wenn der Begriff im antiken Griechenland geprägt wurde («demos» für Volk und «kratos» für Macht), hat die Demokratie viele Wurzeln und ist keine ausschliesslich westliche Erfindung. Einflüsse der Aufklärung und Ideen von Philosophen wie Kant und Rousseau prägten das moderne Demokratieverständnis, das Freiheit, individuelle Rechte und die Gewaltentrennung umfasst.
Wie wird Demokratie in der Welt gefördert?

Wie sollen die Ziele der Schweizer Demokratiediplomatie umgesetzt werden? Botschafter Tim Enderlin, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte (AFM) im EDA, erklärt im Interview welche Antworten die Leitlinien auf Herausforderungen für die Demokratie bereitstellen.
Herr Enderlin, was sehen die neuen Leitlinien vor, um Demokratie in der Welt zu fördern?
Die Leitlinien Demokratie sehen zwei Aktionsfelder vor. Einerseits wollen wir neu verstärkt im Bereich der Demokratiediplomatie arbeiten und andererseits wollen wir die institutionellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in bestehenden Demokratien stärken.
Was kann man sich unter Demokratiediplomatie vorstellen?
Die Schweiz setzt klassische diplomatische Instrumente verstärkt in den Dienst der Demokratiediplomatie. Dazu gehören etwa bilaterale und multilaterale Dialoge mit anderen Staaten. Diese Dialoge sollen gemeinsames Lernen und Handeln fördern. Sie können beispielsweise das Verständnis für die Stärke und Schwächen verschiedener Demokratiemodelle verbessern und konkrete Massnahmen zur Förderung und zum Schutz von Demokratie vorantreiben. Ein Beispiel für einen solchen multilateralen Dialog ist die jährlich von der AFM durchgeführte Giessbach-Demokratieretraite, bei der hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus 10-12 Ländern in vertraulicher Atmosphäre über Demokratiefragen diskutieren, um gemeinsame Grundlagen und innovative Aktivitäten zu identifizieren. Wichtig ist für uns, dass wir diese Dialoge auf Augenhöhe führen und nicht der Eindruck entsteht, dass wir anderen schulmeisterlich beibringen wollen, wie Demokratie «richtig» funktioniert.
Im Rahmen der Demokratiediplomatie wollen wir uns auch verstärkt in klassischen multilateralen Foren einbringen. Dazu gehören die OSZE, die OECD oder auch die UNO.
Parallel dazu arbeitet die Schweiz daran, dem vorherrschenden negativen Diskurs rund um Demokratie entgegenzuwirken und die positiven Auswirkungen der Demokratie auf Frieden und Entwicklung einem breiten Publikum bekannt zu machen. Ziel ist es, ein positives und realistisches Bild der Demokratie zu vermitteln und die Anliegen der Bevölkerung zu reflektieren.
Und welchen Beitrag leistet die Schweiz, um die Widerstandsfähigkeit von Gesellschaften und Institutionen gegenüber Bedrohungen für die Demokratie zu stärken?
Die Schweiz unterstützt institutionelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Demokratie durch verschiedene Massnahmen. Sie fördert unabhängige und vielfältige Mediensysteme, um Meinungsfreiheit zu gewährleisten und Desinformation zu bekämpfen. Projekte wie der International Fund for Public Interest Media stärken lokale und unabhängige Medien. Die Schweiz unterstützt transparente, glaubwürdige und freie Wahlen, stärkt Parlamente durch Schulungen und Beratung und fördert Dezentralisierungsprozesse, um die politische Macht auf mehreren Ebenen zu verteilen und bürgernahe Dienstleistungen zu gewährleisten.
Korruptionsbekämpfung ist ein weiteres zentrales Thema, da Korruption die Demokratie untergräbt und öffentliche Ressourcen schmälert. Projekte wie das E-Governance for Accountability and Participation Programm (EGAP) in der Ukraine verbessern durch Digitalisierung den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und fördern die Rechenschaftspflicht. Die Schweiz setzt sich für die Prävention und Bekämpfung von Korruption ein und unterstützt internationale Initiativen zur Wiedererlangung illegaler Vermögenswerte und Bekämpfung illegaler Finanzströme.
Demokratische Teilhabe ist ebenfalls ein wesentliches Element zur Stärkung von Demokratien. Öffentliche Diskussionen und innovative Ansätze wie Bürgerversammlungen und partizipatorische Budgetprozesse verringern gesellschaftliche Polarisierung und fördern das Vertrauen in demokratische Prozesse. Die Schweiz unterstützt die Entwicklung und Umsetzung solcher Modelle.
Schliesslich wollen wir mehr in den Bereich der Demokratiebildung investieren. Für eine lebendige demokratische Kultur ist es von grundlegender Bedeutung, dass Bürgerinnen und Bürger wissen, wie, wann und wo sie sich engagieren können. Die Demokratiebildung vermittelt Kenntnisse über demokratische Institutionen und Verfahren sowie grundlegende Werte, Rechte und Pflichten. Dabei möchten wir einen besonderen Fokus auf die Medienkompetenz legen, um das Vertrauen in das demokratische System langfristig zu stärken.
Demokratische Tradition der Schweiz als Chance
Das EDA sieht demokratische Tradition der Schweiz als Chance, die Demokratie weltweit zu fördern. Die Schweizer Aussenpolitik setzt daher auf partnerschaftlichen Dialog und massgeschneiderte Unterstützung, um andere Länder auf ihrem Weg zu mehr Demokratie zu begleiten. Dieser Auftrag ist in der Bundesverfassung verankert und wird auch in der Aussenpolitischen Strategie 2024-2027, die der demokratischen Rezession Rechnung trägt, als neuer thematischer Schwerpunkt festgehalten.
Die Leitlinien Demokratie des EDA legen die konzeptionelle Grundlage für die Demokratieförderung. Sie definieren Ziele und Massnahmen zur Stärkung demokratischer Institutionen und Prozesse. Die Schweiz gilt international als glaubwürdige und erfahrene Akteurin im Bereich der Demokratieförderung. Ihre direktdemokratischen Partizipationsmöglichkeiten, ihre föderalistische Struktur, die Integration von kultureller Vielfalt und ihre politische Stabilität haben die Glaubwürdigkeit der demokratischen Tradition der Schweiz geprägt. Sie ist aber auch eine geeignete Partnerin, um Länder wirksam und nachhaltig in demokratischen Bestrebungen zu unterstützen, weil sie in ihrer Aussenpolitik seit Jahrzehnten in zahlreichen demokratierelevanten Bereichen tätig ist. Dazu zählen die Demokratisierung für Frieden und nachhaltige Entwicklung im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit, die Menschenrechtsdiplomatie sowie der Einsatz für die Rechtsstaatlichkeit.
Umgesetzt werden die Leitlinien in den kommenden Jahren primär von AFM und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Die Direktion für Völkerrecht (DV) stellt die Einhaltung der relevanten völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz insbesondere im Bereich der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit sicher. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe stellt eine kohärente Vorgehensweise bei der Umsetzung der Leitlinien sicher. Darüber hinaus werden die Kantone und das Parlament in die Arbeit miteinbezogen.