Drei Frauen erzählen aus der Wissenschaft

Drei Frauen, drei Geschichten, drei unterschiedliche wissenschaftliche Karrieren. Aus Anlass des Internationalen Tags der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft erzählen Natália Archinard, Cecilia Neyroud und Daria Robinson aus Bern, Genf und Mexiko-Stadt von ihrem persönlichen und beruflichen Werdegang: von Innovation über Diplomatie bis hin zum Weltraum – ihre individuellen Geschichten und ihre Botschaft an die junge Leserschaft.

11.02.2021
Zwei Frauen führen mit Maschinen Tests zur künstlichen Intelligenz durch.

Das Ziel 9 der Agenda 2030 strebt einen gleichberechtigten Zugang für alle in der Wissenschaft und in inklusiveren Gesellschaften an. © Keystone

2015 erklärte die UNO-Generalversammlung den 11. Februar zum Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft. Im gleichen Jahr verabschiedete sie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, in der die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Stellung der Frauen als Voraussetzung für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele betrachtet werden. Die Frauen verschaffen sich heute Gehör in der Welt der Wissenschaft, die sich durch eine Vielzahl von Berufen, Karrieren und Communitys auszeichnet.

Aus Anlass des Internationalen Tags der Frauen in der Wissenschaft erzählen drei Frauen über ihre berufliche Laufbahn.

Raumfahrt – von der Schweiz zur UNO

Im Vordergrund Natália Archinard.
Die Schweiz gehört dem UNO-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) an. Natália Archinard ist Vorsitzende des wissenschaftlich-technischen Unterausschusses (2020–2021). © EDA

Natália Archinard arbeitet beim EDA im Bereich Raumfahrt-Diplomatie. Mit ihrer Geschichte tauchen wir ein in ein internationales Umfeld. Sie vertritt die Schweiz im UNO-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) und hat den Vorsitz des wissenschaftlich-technischen Unterausschusses inne (2020–2021). Sie studierte an der Universität Genf Mathematik und promovierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich auf diesem Fachgebiet. «Meine Eltern gaben mir immer die gleichen Chancen wie meinem Bruder. Meine Mutter und mein Vater haben beide einen Doktortitel in Mathematik. Sie weckten in mir den Wunsch, mir die Dinge selber zu erklären und neue Lösungen zu finden», erzählt Natália Archinard.

Während ihrer Ausbildung hat sie gelernt, ihre eigenen Überlegungen kritisch zu hinterfragen und komplexe Sachverhalte zu analysieren. Diese Fähigkeiten sind für ihre Arbeit beim COPUOS entscheidend. Die 95 Mitgliedstaaten dieses Ausschusses verhandeln über neue politische, technische und rechtliche Instrumente. Die Suche nach einem Konsens oder gemeinsamen Lösungen ist oft schwierig. «Ich habe kürzlich die Interessen der Schweiz bei Verhandlungen vertreten, die fast zehn Jahre gedauert haben. Ziel war es, Richtlinien für die Nachhaltigkeit von Raumfahrtaktivitäten zu erarbeiten. 2019 hat die UNO-Generalversammlung 21 Richtlinien verabschiedet. Das war ein grosser Erfolg», sagt Natália Archinard. Die Schweiz spielt bei solchen Verhandlungen eine wichtige Rolle: «Sie trägt oft zum besseren Verständnis und zur besseren Verständigung unter den Staaten bei. Dies ist eine klassische Rolle der Schweizer Diplomatie, die ich gern übernehme und die durch meinen Vorsitz im Unterausschuss noch verstärkt wird.»

Natália Archinard, die sich persönlich und beruflich weiterentwickelt hat, ermutigt junge Frauen, alle Bereiche, die sie interessieren, zu erkunden. «Wenn man mag, was man tut, sind Zufriedenheit und Erfolg umso grösser. Das dürfen wir nicht vergessen, wenn andere versuchen, uns von unserem Weg abzuhalten.» Sie möchte auch die Älteren daran erinnern, wie wichtig es ist, Stereotype zu hinterfragen. «Es liegt in unserer Verantwortung, Dinge zu verändern, damit alle die gleichen Chancen und Bedingungen haben. Wir müssen jüngeren Menschen die Türen öffnen, damit sie vorankommen und sich entfalten können», sagt sie abschliessend.

Diplomatische Karriere und Streifzug durch den Innovationssektor

Cecilia Neyroud im Vordergrund. Im Hintergrund eine Wandmalerei in Mexiko-Stadt.
Man muss nicht Wissenschaftlerin sein, um wissenschaftliche Anliegen zu fördern: Cecilia Neyroud ist in der Schweizer Botschaft in Mexiko-Stadt für die Förderung der Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation tätig. © EDA

Cecilia Neyroud schreibt uns aus Mexiko-Stadt, wo sie ihren diplomatischen Stage absolviert. Obwohl sie internationale Beziehungen studiert hat, gehört die Welt der Wissenschaft und der Forschung seit jeher zu ihrem beruflichen Alltag. Dies beweist, dass es nicht unbedingt einen wissenschaftlichen Hintergrund braucht, um sich auf diesem Gebiet zu engagieren.

Bevor sie ihre diplomatische Karriere beim EDA aufnahm, arbeitete sie beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) im Team für internationale Beziehungen. Sie unterstützte Schweizer Akteure (Universitäten, Forschende, Start-ups usw.), die eine Zusammenarbeit mit internationalen Partnern in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation anstrebten. «Ich habe insbesondere mit der Schweizer Botschaft in Bogotá eng zusammengearbeitet im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen der Schweiz und Kolumbien, das in ein Pilotabkommen zwischen dem SBFI und der kolumbianischen Stiftung COLFUTURO mündete. Dank diesem Projekt können mehr junge talentierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kolumbien einen Teil ihrer Forschung in der Schweiz durchführen», erklärt Cecilia Neyroud.

Die Wissenschaft hält Einzug in die diplomatische Welt, auch in Mexiko. Eine der Aufgaben von Cecilia Neyroud besteht darin, die Schweiz als Exzellenzzentrum für Bildung, Forschung und Innovation zu fördern. Obwohl die Schweiz in diesen Bereichen einen ausgezeichneten Leistungsausweis hat, sind sich die anderen Länder dessen nicht immer bewusst. Die Botschaft bringt die Wissenschaftskreise der Schweiz und Mexikos zusammen. «Wir arbeiten gerade an einem Kooperationsprogramm für schweizerische und mexikanische Start-ups. Das Programm soll den Teilnehmenden ermöglichen, nachhaltige Verbindungen aufzubauen, die letztlich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern stärken», sagt die Schweizer Diplomatin.

Im kollektiven Bewusstsein wird auch der Beruf des Diplomaten oft mit Männern assoziiert. Aber Cecilia Neyroud hatte das Glück, im Lauf ihrer Karriere Wissenschaftlerinnen zu treffen, die sie inspiriert haben. «Ich denke zum Beispiel an Chloé Carrière (bekannt als Galactic Chloé), die ihre Leidenschaft für die Raumfahrt mit der Allgemeinheit teilte, indem sie eine Reihe von Projekten lancierte, darunter ein Simulationscamp für eine Weltraummission in den Alpen. Eine weitere Inspirationsquelle sind die Diplomatinnen, die innerhalb des EDA Führungspositionen innehaben», sagt sie.

Vom Labor an die Öffentlichkeit

Daria Robinson mit einem orangen Helm im CERN in Genf.
Daria Robinson arbeitet beim Geneva Science and Diplomacy Anticipator (GESDA), einer vom EDA, dem Kanton und der Stadt Genf lancierten Initiative, um Wissenschaft und Diplomatie einander anzunähern. © EDA

Daria Robinson ist Exekutivdirektorin des diplomatischen Forums Geneva Science and Diplomacy Anticipator (GESDA), einer Initiative, die das EDA gemeinsam mit dem Kanton und der Stadt Genf lanciert hat, um Wissenschaft und Diplomatie einander näher zu bringen.

«Als ich 16 Jahre alt war, besuchte ein Astronaut, der auf dem Mond gewesen war, unsere Schule. Das hat in mir sofort eine Flamme entfacht», erzählt sie. Ihre Begeisterung führte sie an die Universität Genf, wo sie Astrophysik studierte und mit einem Master abschloss. Ihre wissenschaftliche Ausbildung erwies sich als grosse Bereicherung. «Die Wissenschaft lehrt uns, anders zu denken», sagt Daria Robinson. Um die Entstehung einer Galaxie zu er also vereinfachen: Je komplexer ein Konzept ist, desto einfacher müssen wir es machen, um es zu erklären. Es ist eine Fähigkeit, die in vielen Bereichen nützlich ist.»

Daria Robinson begann ihre berufliche Laufbahn bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), wo sie im Rahmen der ersten bemannten Missionen in Zusammenarbeit mit Russland die Abteilung für Aussenbeziehungen aufbaute. Von ihren Professoren ermutigt, entschied sich Daria Robinson nach dem Master für eine Arbeit im Kontakt mit Menschen, um der Öffentlichkeit die Wissenschaft näher zu bringen. Bei der ESA lernte sie ihren ersten Ehemann kennen, einen NASA-Astronauten. Ihre neue Herausforderung bestand nun darin, die Gründung einer Familie mit der Chance zu verbinden, die sich ihr zuerst in Texas und danach in Genf durch die Gründung einer eigenen Beratungsfirma bot.

Ob in Russland, in den USA, in Frankreich oder in der Schweiz, überall verfolgte sie das Ziel, die Wissenschaft den Menschen näher zu bringen. Dabei arbeitete sie mit Regierungen, der Industrie und den Hochschulen zusammen. Wie lässt sich das Engagement unterschiedlicher Akteure am besten koordinieren, um wissenschaftliche und technologische Initiativen zur Erreichung der Agenda 2030 zu fördern? «Politik, Industrie, Wissenschaft und Öffentlichkeit spielen alle eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, die richtigen Personen zur richtigen Zeit zusammenzubringen und dafür zu sorgen, dass sie an einem Strang ziehen. Das ist wie bei der Herstellung von Mayonnaise», erklärt Daria Robinson. Es reicht nicht, alle Zutaten zu haben. Man muss sie auch richtig kombinieren, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.» Die Lancierung des GESDA ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Initiative verfolgt einen innovativen Ansatz: Sie will mögliche Fortschritte der Wissenschaft in den nächsten 5, 10 oder sogar 25 Jahren vorwegnehmen und gemeinsam mit den diplomatischen Akteuren über Handlungsstrategien entscheiden, damit die gesamte Menschheit davon profitieren kann. Dies erfordert einen Austausch zwischen der Wissenschaft und den Regierungen, den internationalen Organisationen, den NGO und der Gesellschaft über sehr komplexe Themen, die alle Betroffenen aus ihrer Perspektive betrachten. Aus diesem Austausch sollen konkrete technologische oder institutionelle Vorschläge entstehen. Dieser Thinktank/Dotank nährt Daria Robinsons Begeisterung für ihre Arbeit.

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