Leitlinien für das menschenrechtsdiplomatische Engagement der Schweiz
Die Schweiz engagiert sich im Menschenrechtsrat, thematisiert die Menschenrechte bei politischen Gesprächen und unterstützt Projekte zur Stärkung der Menschenrechte: Drei Beispiele aus dem Instrumentarium, mit dem sich die Schweiz für den universellen Schutz der Menschenrechte einsetzt. Dieses Ziel ist in der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 formuliert. Die Leitlinien Menschenrechte 2021-2024, die das EDA nun lanciert, zeigen auf, wie dieses Ziel umgesetzt wird. Dabei brauche es Standfestigkeit und langen Atem, sagt Botschafter Simon Geissbühler, Chef Frieden und Sicherheit im Staatssekretariat des EDA.
In Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen setzt sich die Schweiz in verschiedenen Ländern für Gesetze zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern auf nationaler Ebene ein. © EDA
Der Respekt der Menschenrechte ist eine entscheidende Voraussetzung, damit Wohlstand, Frieden und nachhaltige Entwicklung möglich sind. Menschenrechte sind auch eine wichtige Säule, wenn sich Staaten auf Regeln verständigen, die von der Staatengemeinschaft anerkannt und umgesetzt werden. Auch die Schweiz profitiert als weltweit vernetztes, aber unabhängiges Land von einem solchen regelbasierten System. Deshalb berücksichtigt die Schweiz bei der Planung und Umsetzung ihrer Aussenpolitik systematisch die Menschenrechte.
Deutliches Zeichen dafür ist das Gewicht, das der Bundesrat in der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 der Stärkung und Förderung der Menschenrechte verliehen hat. Darin wird den Themen Meinungsäusserungsfreiheit, Todesstrafe, Folter und Minderheiten besondere Beachtung geschenkt. An dieser übergeordneten Strategie orientiert sich die konkrete Umsetzung der Menschenrechtsdiplomatie. Wie dies geschieht, wird in den Leitlinien Menschenrechte 2021-2024 aufgezeigt. Die Leitlinien enthalten klare Prinzipien und konkrete Aktionsfelder, um die Wirksamkeit und die Kohärenz der Schweiz bei der Förderung der Menschenrechte im Ausland zu stärken.
Schweiz auf bilateraler und multilateraler Ebene aktiv
Für die Umsetzung ihrer Menschenrechtspolitik steht der Schweiz ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung. Die Schweiz kann dieses bei ihren Kontakten mit einzelnen Staaten wie auch auf multilateraler Ebene flexibel einsetzen. Bilateral diskutiert die Schweiz Menschenrechtsfragen grundsätzlich mit allen Staaten und auf jeder Ebene. Mit ausgewählten Staaten führt die Schweiz zudem spezifische Menschenrechtsdialoge. Das schweizerische Aussennetz spielt dabei eine wichtige Rolle, denn dort wird die Menschenrechtssituation im Gastland analysiert und der Dialog zu Menschenrechtsthemen mit dem Gaststaat und lokalen gesellschaftlichen Akteuren geführt. Zur Förderung der Menschenrechte im Ausland setzt die Schweiz zudem konkrete Projekte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren um.
Multilateral setzt sich die Schweiz in den verschiedenen relevanten UNO-Gremien sowie auch in regionalen Organisationen wie dem Europarat oder der OSZE für die Verwirklichung der Menschenrechte ein. So unterstützt sie zum Beispiel in Genf die Diskussionen über Regelungen, dank denen die Einhaltung der Menschenrechte auch im Cyberbereich sichergestellt werden kann.
Wirksames Engagement der Schweiz
Der Einsatz für die Menschenrechte zahlt sich aus. Unter Mitwirkung des EDA verabschiedete der Libanon beispielsweise im Jahr 2020 ein neues Gesetz zur Bekämpfung von Folter. In Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen setzte sich die Schweiz weiter in verschiedenen Ländern erfolgreich für Gesetze zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern auf nationaler Ebene ein, darunter in Burkina Faso und der Mongolei. Der Iran schaffte zudem die zwingende Verhängung der Todesstrafe für Drogendelikte ab, wofür sich die Schweiz eingesetzt hatte. Im Senegal hat die Schweiz dazu beigetragen, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Justizsystem besser geschützt werden. Ein anderer Meilenstein ist die Schaffung des Zentrums für Sport und Menschenrechte in Genf.
«Der Einsatz für die Menschenrechte ist ein langfristiges Anliegen»
Herr Geissbühler, wie beurteilen Sie die Menschenrechtssituation in der Welt?
Das Glas ist halbvoll. Aber einige Trends sind besorgniserregend. Einerseits treten immer mehr Staaten den relevanten Menschenrechtskonventionen bei. Positive Entwicklungen gibt es beispielsweise beim Zugang zu Bildung oder bei der Gleichstellung von Frauen und Männern. Andererseits hat sich die Erwartung, dass sich Demokratie, Rechtstaatlichkeit und die Menschenrechte weltweit durchsetzen, als unrealistisch erwiesen. So steht das Recht auf freie Meinungsäusserung weltweit unter Druck – wir sehen das ja leider jeden Tag.
Auch Folter und Misshandlung sind weiterhin verbreitet. Ethnische, religiöse, sprachliche und andere Minderheiten werden vielerorts diskriminiert und teilweise verfolgt. Neben vielen Chancen schaffen neue Technologien erhebliche Risiken, z.B. die systematische Überwachung, Eingriffe in die Privatsphäre, die Beschneidung der Meinungsäusserungsfreiheit und Repression. Gewisse Staaten nehmen vermehrt Einfluss in multilateralen Organisationen, um den Menschenrechtsschutz zu schwächen und individuelle Rechte zu unterminieren.
Das EDA hat nun die Leitlinien Menschenrechte für den Zeitraum 2021-2024 lanciert. Wo liegen für Sie hier die wichtigsten Akzente?
Wer die Leitlinien liest, wird relativ viel Kontinuität in Bezug auf die bisherigen Prioritäten feststellen. Und das ist richtig so. Denn der Einsatz für die Menschenrechte ist ein langfristiges Anliegen und ruht auf Prinzipien, die sich nicht beliebig ändern. Schnelle Erfolge sind selten. Vielmehr braucht es Standfestigkeit und einen langen Atem. Neben den konkreten Schwerpunkthemen wie Meinungsäusserungsfreiheit, Todesstrafe, Folter und Minderheiten definieren die Leitlinien klare Prinzipien für eine wirksame und kohärente Menschenrechtsdiplomatie. Diese Prinzipien gelten für alle relevanten Stellen im EDA und auch für das Aussennetz. Weiter erläutern die Leitlinien wie die Schweiz die Menschenrechte in den Bereichen Frieden und Sicherheit, Wirtschaft und Nachhaltigkeit fördert.
Dem Schutz der Menschenrechte wird eine wichtige Rolle bei der Förderung von Frieden und Sicherheit beigemessen. Welchen Mehrwert kann die Schweiz hier bieten?
Verschiedene Studien, aber auch die Praxis zeigen, dass gravierende Verletzungen der Menschenrechte Ursachen für gewalttätige Konflikte sein können. Durch eine stärkere Verschränkung der Menschenrechte mit Instrumenten zur Förderung von Frieden und Sicherheit soll die Wirksamkeit des Engagements der Schweiz verbessert werden. Konkret setzt sich die Schweiz beispielsweise für einen besseren Informationsfluss zwischen dem UNO-Sicherheitsrat und dem UNO-Menschenrechtsrat ein. Weiter unterstützt die Schweiz internationale Beobachtermissionen zur Überwachung der Menschenrechtssituation in Konfliktgebieten finanziell und mit Personal (z.B. in der Ukraine). Das Know-how der Schweiz soll beispielsweise auch im Rahmen der OSZE noch stärker genutzt werden, indem die Förderung der Menschenrechte als Instrument zur Prävention von Konflikten besser verankert wird.
Laut den Leitlinien sollen neuen Initiativen und innovativen Partnerschaften mehr Raum gegeben werden. Wo sehen Sie hier Potenzial, etwa in der Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Wissenschaft oder Nichtregierungsorganisationen?
Wirtschaftliche Interessen und die Menschenrechte können sich gegenseitig positiv beeinflussen. In diesem Bereich führen wir seit Jahren eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Wissenschaft. Das Resultat sind wirksame Instrumente und Partnerschaften, die im Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte erläutert werden. Die Schweiz unterstützt zudem gemeinsam mit verschiedenen Akteuren Initiativen zur Förderung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts im Rahmen von Sicherheitsdienstleistungen. Ein weiteres Beispiel ist die Schaffung des Zentrums für Sport und Menschenrechte mit Sitz in Genf. Staaten, Sportverbände, Sponsoren und zivilgesellschaftliche Akteure entwickeln gemeinsam Ansätze, wie die Menschenrechte im Sport und bei Grossveranstaltungen besser respektiert werden. Für die kommenden Jahre gilt es insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung die Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren zu vertiefen. Unser Ziel, dass die Menschenrechte gleichermassen offline wie online gelten, können wir nur im Verbund erreichen.