Punkt der Diplomatie

Diplomatische Mitarbeitende und Führungskräfte des EDA äusssern sich zu einem aktuellen Thema unter der Rubrik «Punkt der Diplomatie» des Newsletters von Kommunikation EDA. Lesen Sie ihren vollständigen Text.

Alle zwei Monate nehmen diplomatische Mitarbeitende und Führungskräfte Stellung zu einem aktuellen und für das EDA wichtigen Thema. 

August 2024

Jürg Lauber
© EDA

Jürg Lauber, Botschafter

Ständiger Vertreter der Schweiz beim Büro der Vereinten Nationen und den anderen internationalen Organisationen in Genf und und Generalsekretär der 34. Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz

Die Genfer Konventionen sind meine täglichen Begleiter. Nicht nur weil sie historischer Ausganspunkt für den modernen Multilateralismus waren, sondern weil sie Ausdruck des fundamentalen Anliegens sind, immer und überall die Menschlichkeit zu wahren. Sie sind Verpflichtung und Ansporn in fast allen Bereichen meiner Arbeit, sei es im Humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten, beim Flüchtlingswesen, in Fragen der Weltgesundheit, den Herausforderungen neuester Technologie und vielem mehr.   

Die Genfer Konventionen von 1949 wurden unter dem Eindruck der Schrecken von zwei Weltkriegen verabschiedet. Sie sind die einzigen völkerrechtlichen Verträge, zu denen sich alle Staaten verpflichtet haben. Jeden Tag zeigen sie an unzähligen Orten der Welt ihre Wirkung, zum Beispiel wenn einem Krankenwagen Zugang zu einem umkämpften Gebiet gewährt wird oder wenn ein Kriegsgefangener Besuch von einer Delegierten des IKRK erhält.

Wir begehen den 75. Jahrestag der Genfer Konventionen aber auch in einer Zeit, in der bewaffnete Konflikte weltweit zunehmen und die Meldungen nicht abreissen über immer neue Grausamkeiten, die in diesen Kriegen begangen werden. Der Jahrestag ist deshalb eine wichtige Gelegenheit, uns die fundamentale Bedeutung der Konventionen in Erinnerung zu rufen.

Eine weitere Gelegenheit bietet sich mit der 34. internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds, die vom 28. bis 31. Oktober 2024 in Genf stattfindet. Teilnehmer sind die Vertragsparteien der Genfer Konventionen (Staaten) sowie die Mitglieder der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung (die nationalen Gesellschaften, deren Internationale Föderation IFRC und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK). Angesichts der weltweiten Umwälzungen und Unsicherheiten sind sie aufgerufen, ihr Bekenntnis zum bestehenden Regelwerk zu bekräftigen. Darüber hinaus wollen sie Antworten auf neue gesellschaftliche und technologische Entwicklungen finden, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Technologien in bewaffneten Konflikten oder dem Bemühen, die humanitäre Hilfe noch besser an den jeweiligen lokalen Bedürfnissen zu orientieren. Auch sollen sich abzeichnende humanitäre Katastrophen früher erkannt und durch geeignete Massnahmen eingedämmt werden.

Die Schweiz unterstützt die Konferenz unter anderem durch den Einsatz des Unterzeichneten in einer beratenden Funktion als (designierter) Generalsekretär. Für mich schliesst sich damit ein Kreis, habe ich doch meine diplomatische Laufbahn als Mitarbeiter der für Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht (Genfer Konventionen) zuständigen Stelle im EDA begonnen. Noch vorher hatte ich bei Einsätzen im Feld die Arbeit der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung kennen und schätzen gelernt. Zum Beispiel in Namibia beim Kontakt mit den IKRK Delegierten, die beidseits der Grenzen zu Angola humanitären Schutz gewährten oder auf der koreanischen Halbinsel, wo die Büros der jeweiligen nationalen Rotkreuzgesellschaften im Grenzort Panmunjom einen der wenigen Kommunikationskanäle zwischen Süd und Nord aufrechterhalten.

Die besondere Nähe unseres Landes zur Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung hat mich als Schweizer Diplomat auch später überall in der Welt begleitet, aber naturgemäss nie enger als bei meiner gegenwärtigen Arbeit in Genf. Hier wird mir jeden Tag bewusst, wie stark das Ansehen der Bewegung und vor allem des IKRK auf die Schweiz ausstrahlt, aber auch wie hoch die Erwartungen sind, die andere Staaten in diesem Zusammenhang an die Schweiz haben und wie genau sie beobachten, wie wir uns als Vertragspartei, als Gaststaat und als Geberland verhalten. Der 75. Jahrestag und die 34. Internationale Konferenz sind mithin auch für uns eine gute Gelegenheit, dieser besonderen Verantwortung gerecht zu werden.  

Letzte Aktualisierung 27.08.2024

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