Punkt der Diplomatie

Diplomatische Mitarbeitende und Führungskräfte des EDA äusssern sich zu einem aktuellen Thema unter der Rubrik «Punkt der Diplomatie» des Newsletters von Kommunikation EDA. Lesen Sie ihren vollständigen Text.

Alle zwei Monate nehmen diplomatische Mitarbeitende und Führungskräfte Stellung zu einem aktuellen und für das EDA wichtigen Thema. 

Dezember 2024

Maya Tissafi
© EDA

Maya Tissafi

Schweizer Botschafterin für Indien und Bhutan, New Delhi

Indien – vielschichtig und voller Überraschungen

Vor drei Monaten in Indien angekommen, hat mich die Diversität, die sich in zahlreichen Sprachen, Religionen und vielseitigen Traditionen widerspiegelt, sofort beeindruckt. Beim Entdecken von Delhi prägen sich Bilder ein: Hupende Autos, welche sich ihren Weg durch die 33 Millionen-Hauptstadt des bevölkerungsreichsten Land der Welt bahnen; Kühe und Affen, die plötzlich die Hauptstrasse überqueren; Liebespaare in den vielen Parks der Stadt, die an frühere Zeiten erinnern; Alt-Delhi voller Gerüche, Farben, Lärm und Händler, welche ihre Ware anbieten; Mittendrin eine kleine Bibliothek, die einige seltene religiöse Schriften aus dem Christentum und dem Islam aufbewahrt; in einer Seitengasse ein in der Schweiz ausgebildeter Uhrenmacher, der in seiner «Time Klinik» jede kaputte Uhr zu neuem Leben erweckt. Die Zeit scheint hier stillgestanden zu sein.

Meine erste Dienstreise nach Bangalore führt mich in «die Zukunft». Die drittgrösste Stadt Indiens, bekannt als das «Silicon Valley von Indien» hat sich zu einem Zentrum für Forschungseinrichtungen, Start-ups und Unternehmen in den Bereichen IT, Biotechnologien und Raumfahrt entwickelt. Hier hat die Schweiz vor einem Jahr die «Indo-Swiss Innovation Platform», welche Initiativen in Gesundheit, Nachhaltigkeit und digitale Transformation fördert, aufgebaut. Hier werken Wissenschaftstätige an neuen Technologien - die Entwicklung ist rasant.

Als die Luftqualität in Delhi auf 1701 steigt, während die Messwerte in Bern auf 17 sinken, werde ich zurück ins «Jetzt» befördert. Dank der Schweizer Technologie von IQ Air, wissen wir, dass es sich beim Dunst nicht um Nebel handelt... Das Klima ist Priorität im Programm der DEZA und überzeugt mit Erfolgsgeschichten, welche in den Nachbarländern übernommen werden: Ein erschwinglicher und kohlenstoffarmer Zement (LC3) wurde mit der EPFL und Holcim entwickelt; das «Clean Air Program», in dem Behörden zu Massnahmen gegen die Luftverschmutzung ausgebildet werden, wurde auf die Nachbarländer Bangladesch und Nepal ausgeweitet; ein Detektionssystem im Himalaya hilft der Schweiz besser zu verstehen, wie die eigenen Alpen schmelzen; und die Ausbildung des indischen Katastropheneinsatzkorps soll es Indien ermöglichen, auf Katastrophen effektiv zu reagieren.

Endlich ist es soweit und ich kann mein Beglaubigungsschreiben als erste Botschafterin der Schweiz in Indien an die erste indigene Präsidentin, die aus einer abgelegenen Stammesgemeinschaft stammt, überreichen. Unter dem ungerührten Blick von Lanzenträgern ist dies eine ganz besondere Ehre, die durch die Weite des Palastes, der trotz einer Ghandi-Büste und einiger vegetarischer Samosas, immer noch nach Imperium riecht, unterstrichen wird.

Die Präsidentin spricht vom Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Ländern und Indien, welches im März dieses Jahres nach 16 Jahren zäher Verhandlungen unterzeichnet wurde. Nach der Ratifizierung wird es ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen einläuten. Die Prioritäten sind klar: Investitionen, Innovation und Nachhaltigkeit.

Hitachi Energy Zürich wird Produktion, digitale Forschung sowie die Talentförderung ausbauen. Zürich Airport International hat den Zuschlag für den Bau des Flughafens Noida in Delhi erhalten und das Schweizer Technologieunternehmen Bühler wird seine Produktionskapazitäten bei den Nahrungsmitteln erweitern. Das Interesse von Schweizer Firmen an Indien ist gross.

Für die vielen Akteure aus Politik, Wirtschaft und Akademie, die ich in meinen ersten Monaten traf, hat Indien in der Zusammenarbeit eine deutliche Aufwertung erfahren: Als schnell wachsende Demokratie, dank seiner geopolitischen Rolle als Partner im Indo-Pazifik und seiner wirtschaftlichen Dynamik wird Indien zu einem unverzichtbaren Partner für Europa.

Im Gegensatz zu China oder Russland ist Indien eine eher ausgleichende Kraft, welche die internationale Ordnung nicht in Frage stellt. Dennoch will es seiner strategischen Autonomie treu bleiben und die sino-amerikanische Rivalität nutzen, um seine eigenen Ambitionen vorwärtszutreiben.

Indien ist zentral, aber nicht dominant: Es ist der Stärkste der Schwachen, aber der Schwächste der Starken. Innerhalb der BRICS ist Indien eher isoliert und versucht zu bremsen. International wurden seine «Demokratie-Bestrebungen» durch den Ausgang der Parlamentswahlen unterstrichen. Indien wird international hofiert und ist sich sicher, dass seine Zeit gekommen ist. Wer nicht auf den Zug aufspringt, wird den Anschluss verpassen.

Die einzige Möglichkeit für die Schweiz, auf die Herausforderungen Indiens und die Chancen, die sich für die Schweiz ergeben, zu reagieren, ist ihr Netzwerk: Vier Departemente (EDA, EFD, VBS, DEFR) und vier Partner (Schweiz Tourismus, Switzerland Global Enterprise, Swissnex, Pro Helvetia) ziehen mit dem «ONE-Switzerland Spirit» und dem zwei-Jahres Motto «Sustainability with a Plu» am gleichen Strang – sei es bei der Umsetzung des Freihandelsabkommen, in der Wissenschaftszusammenarbeit und im Umweltbereich. 

Das Ende des Jahres naht und ein Gang durch das weltweit grösste Schweizer Visa-Zentrum verdeutlicht, dass hier an der Grundlage für all unser Tun getüftelt wird. Die Schweiz ist seit den Bollywood-Filmen der 1970er, die v.a. im Berner Oberland spielten, beliebtes Reiseziel. Von 0 Visa während der COVID-Epidemie stieg Delhi bis 2023 auf eine Produktion von 200’000 Visa, eine weitere Steigerung um 10% steht bevor. Dies schafft jährliche Einnahmen von 17 Mio. CHF – die Schweizer Diplomatie in Indien kostet nichts, sondern bringt dem Schweizer Steuerzahler zusätzlich Geld ein.

Indien eben – geopolitisch und wirtschaftlich unumgänglich, vielschichtig und voller Überraschungen.

Bisherige Beiträge

Oktober 2024

Ralf Eckner
© EDA

Ralf Heckner

Schweizerischer Botschafter in den Vereinigten Staaten von Amerika

Wie wird es sein nach siebzehn Jahren wieder nach Washington D.C. zurückzukehren?

Diese Frage stellten sich meine Frau und ich in den Monaten, während denen wir uns auf den Transfer von Neu-Delhi nach Washington vorbereiteten.

Auf den ersten Blick ist eigentlich alles gleichgeblieben. Die Strasse und das Haus, in welchem wir viereinhalb Jahre als junge Familie wohnten, ja unsere damaligen Nachbarn, der Kindergarten, die Schule und die Kirche, welche unsere Kinder besuchten, die Restaurants und die Einkaufzentren. Sogar beruflich scheint alles so wie früher: Damals zwischen 2003 und 2007 war ich für das Iranmandat zuständig gewesen. Immer noch vertritt die Schweiz die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber der Islamischen Republik.

Auf den zweiten Blick sieht man die Veränderungen. Die Nahrungsmittelpreise in den Einkaufszentren scheinen Schweizer Niveau erreicht zu haben. Dasselbe gilt für einen Restaurantbesuch. Die Inflation hat merkliche Spuren hinterlassen. Kein Wunder, dass diese Wahlkampfthema ist, und sich die amerikanische Bevölkerung fragt, ob es ihr heute als Haushalt besser geht als vor vier Jahren. 

Auf meinen ersten Dienstreisen nach Austin (Texas), Chicago, Atlanta (Georgia), Charlotte (North Carolina), Columbus and Greer in South Carolina nehme ich den Puls «Amerikas». Es ist eindrücklich, was im Süden der Vereinigten Staaten abgeht. Links und rechts neben dem Highway 85 von Atlanta Richtung Norden sind überall neue Firmenansiedlungen und Produktionsstäten zu sehen. Ich reise nach Greer zur Eröffnung einer Produktionsstäte einer im Tessin ansässigen Schweizer Firma. 

In Charlotte (Nord Carolina) sieht man, dass es den Leuten gut geht. Teure und «fancy» Restaurants, Hochhäuser mit Banken. Und dann steht dort ein von Botta entworfenes und von einem Schweizer Industriellen und Kunstsammler gestiftetes Museum für moderne Kunst. Dieses ist auch Ausdruck der historischen Präsenz der Schweizer Textilmaschinenbauindustrie im Cotton Belt.

Auf meinem Flug von Austin nach Chicago werde ich daran erinnert, wie gross die Vereinigten Staaten sind und welche geographischen Vorteile dieses Land hat. Allein der Mississippi gleicht einer riesigen Verkehrsader, welche die Grossen Seen mit dem Golf von Mexiko verbindet. In Chicago an einer der grössten Maschinenbaumessen erwähnt ein Vertreter der dortigen Stadtverwaltung, dass die Grossen Seen allein 20 Prozent der globalen Süsswasserreserven enthalten, eine wirklich strategische Reserve in einer Welt des Klimawandels. 

Die Schweizer Wirtschaft in den USA ist positiv gestimmt. Das spürt man. Das hört man. Es gibt dort jedoch ein B-Moll. Eine der grossen Herausforderungen für Schweizer Unternehmen ist der Fachkräftemangel. Ich verstehe nun, warum die amerikanische Regierung und die Regierungen der Gliedstaaten so sehr an der Zusammenarbeit mit der Schweiz und Schweizer Unternehmen im Bereich der Lehrlingsausbildung interessiert sind. 

Beeindruckt bin ich über die vielen neuen und zukunftsgerichteten Zusammenarbeitsbereiche mit den USA. Eine neue strategische Dimension in den Beziehungen ist der ganze Bereich der aufkommenden Technologien. Dabei geht es um Fragen von Digitalpolitik, Cybersicherheit, Künstlicher Intelligenz, Quantentechnologie, Biotechnologie, Halbleiter oder Weltraumpolitik. Für unsere bilateralen Beziehungen scheint heute buchstäblich zu gelten: «The sky is the limit».

Und dann ist da noch die Innenpolitik. Wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl sind im demokratisch geprägten Hauptstadtdistrikt erstaunlich wenige sichtbare Anzeichen des bevorstehenden Richtungsentscheids zu sehen. Gleiches stellte ich in South Carolina fest, einem Bundesstaat mit klarer republikanischer Mehrheit. Das hängt damit zusammen, dass der Wahlkampf eigentlich nur in sieben sogenannten Swing States geführt wird, welche das Resultat aufgrund ihrer knappen Mehrheitsverhältnisse beeinflussen können – dort dafür umso intensiver. So bekunden Einwohner von Georgia oder Pennsylvania ihren Überdruss angesichts der endlosen Berieselung mit Wahlslogans, für die beide Kampagnen dreistellige Millionenbeträge ausgeben. Thematisch dreht sich der Wahlkampf dabei neben der Teuerung um Fragen der Zuwanderung, des Abtreibungsrechts und der Demokratie. 

Und ja das politische Klima ist polarisiert, was in einer Wahlkampfzeit nicht wirklich überrascht. Die Töne sind schriller geworden, besonders vor laufenden Kameras, und einige blicken aus der einen oder anderen Perspektive mit Sorge oder Hoffnung auf das mögliche Wahlresultat. Abseits des Medienrummels können Republikaner und Demokraten aber durchaus miteinander ins Gespräch kommen. Dies konnte ich anlässlich eines Abendessens auf der Residenz mit Mitarbeitenden von Parlamentsabgeordneten beider Parteien erleben. Die Gruppe von Staffern hatte im Frühling zusammen die Schweiz besucht. Das schmiedete zusammen.

Es gibt ebenfalls Themen, welche überparteilich sind. Das ist China. Bei meinem letzten Aufenthalt in Washington, D.C., waren es Al-Kaida und ISIS mit dem Irakkrieg. Heute ist China das allumfassende politische Thema, welches Republikaner wie Demokraten zusammenbringt. Möchte man die heutige und künftige amerikanische Sicherheits-, Aussen-, Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik verstehen, dann muss man diese durch die Linse der amerikanischen Chinapolitik ansehen. Kein Wunder also, dass mir in meinen ersten zwei Monaten alle nur von Industriepolitik sprachen, ein Wort, welches vor zwanzig Jahren klar verpönt war.

Und auch das sind die Vereinigten Staaten von Amerika: Ein Land, welches sich enorm schnell anpassen und verändern kann. In unseren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ist daher wie immer viel Flexibilität gefragt. 

August 2024

Jürg Lauber
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Jürg Lauber, Botschafter

Ständiger Vertreter der Schweiz beim Büro der Vereinten Nationen und den anderen internationalen Organisationen in Genf und und Generalsekretär der 34. Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz

Die Genfer Konventionen sind meine täglichen Begleiter. Nicht nur weil sie historischer Ausganspunkt für den modernen Multilateralismus waren, sondern weil sie Ausdruck des fundamentalen Anliegens sind, immer und überall die Menschlichkeit zu wahren. Sie sind Verpflichtung und Ansporn in fast allen Bereichen meiner Arbeit, sei es im Humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten, beim Flüchtlingswesen, in Fragen der Weltgesundheit, den Herausforderungen neuester Technologie und vielem mehr.   

Die Genfer Konventionen von 1949 wurden unter dem Eindruck der Schrecken von zwei Weltkriegen verabschiedet. Sie sind die einzigen völkerrechtlichen Verträge, zu denen sich alle Staaten verpflichtet haben. Jeden Tag zeigen sie an unzähligen Orten der Welt ihre Wirkung, zum Beispiel wenn einem Krankenwagen Zugang zu einem umkämpften Gebiet gewährt wird oder wenn ein Kriegsgefangener Besuch von einer Delegierten des IKRK erhält.

Wir begehen den 75. Jahrestag der Genfer Konventionen aber auch in einer Zeit, in der bewaffnete Konflikte weltweit zunehmen und die Meldungen nicht abreissen über immer neue Grausamkeiten, die in diesen Kriegen begangen werden. Der Jahrestag ist deshalb eine wichtige Gelegenheit, uns die fundamentale Bedeutung der Konventionen in Erinnerung zu rufen.

Eine weitere Gelegenheit bietet sich mit der 34. internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds, die vom 28. bis 31. Oktober 2024 in Genf stattfindet. Teilnehmer sind die Vertragsparteien der Genfer Konventionen (Staaten) sowie die Mitglieder der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung (die nationalen Gesellschaften, deren Internationale Föderation IFRC und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK). Angesichts der weltweiten Umwälzungen und Unsicherheiten sind sie aufgerufen, ihr Bekenntnis zum bestehenden Regelwerk zu bekräftigen. Darüber hinaus wollen sie Antworten auf neue gesellschaftliche und technologische Entwicklungen finden, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Technologien in bewaffneten Konflikten oder dem Bemühen, die humanitäre Hilfe noch besser an den jeweiligen lokalen Bedürfnissen zu orientieren. Auch sollen sich abzeichnende humanitäre Katastrophen früher erkannt und durch geeignete Massnahmen eingedämmt werden.

Die Schweiz unterstützt die Konferenz unter anderem durch den Einsatz des Unterzeichneten in einer beratenden Funktion als (designierter) Generalsekretär. Für mich schliesst sich damit ein Kreis, habe ich doch meine diplomatische Laufbahn als Mitarbeiter der für Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht (Genfer Konventionen) zuständigen Stelle im EDA begonnen. Noch vorher hatte ich bei Einsätzen im Feld die Arbeit der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung kennen und schätzen gelernt. Zum Beispiel in Namibia beim Kontakt mit den IKRK Delegierten, die beidseits der Grenzen zu Angola humanitären Schutz gewährten oder auf der koreanischen Halbinsel, wo die Büros der jeweiligen nationalen Rotkreuzgesellschaften im Grenzort Panmunjom einen der wenigen Kommunikationskanäle zwischen Süd und Nord aufrechterhalten.

Die besondere Nähe unseres Landes zur Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung hat mich als Schweizer Diplomat auch später überall in der Welt begleitet, aber naturgemäss nie enger als bei meiner gegenwärtigen Arbeit in Genf. Hier wird mir jeden Tag bewusst, wie stark das Ansehen der Bewegung und vor allem des IKRK auf die Schweiz ausstrahlt, aber auch wie hoch die Erwartungen sind, die andere Staaten in diesem Zusammenhang an die Schweiz haben und wie genau sie beobachten, wie wir uns als Vertragspartei, als Gaststaat und als Geberland verhalten. Der 75. Jahrestag und die 34. Internationale Konferenz sind mithin auch für uns eine gute Gelegenheit, dieser besonderen Verantwortung gerecht zu werden.  

Letzte Aktualisierung 16.12.2024

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