Die Schweiz kehrt mit humanitärem Büro nach Kabul zurück

In Afghanistan sind 24 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen und der grösste Teil der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Die Schweiz eröffnet ein humanitäres Büro in Kabul. Vier Fachleute des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) und zehn Lokalangestellte kümmern sich vor Ort darum, dass die notleidende Bevölkerung Unterstützung zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse erhält.

Ansicht des Gebäudes des humanitären Büros der Schweiz in Kabul. Im Vordergrund Rasen und zwei Bäume.

Die Schweiz ist seit März 2025 mit einem humanitären Büro in Kabul vor Ort präsent. © DEZA

Nach der Machtergreifung der Taliban im August 2021 hat die Schweiz ihr Kooperationsbüro in Kabul geschlossen und alle ihre Mitarbeitenden evakuiert. Seither führte das Team der DEZA ihre Programme zunächst von Bern und seit Februar 2023 von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad aus weiter. Das Team hat Kabul in dieser Zeit regelmässig besucht und die Programme der DEZA weitergeführt. 

Eine wirksame Hilfe verlangt Präsenz vor Ort

Nun kehrt die DEZA diesen Frühling mit einem humanitären Büro vor Ort zurück. Laut Dominik Stillhart, stellvertretender Direktor der DEZA und Chef der humanitären Hilfe, hat sich die Rückkehr nach Kabul aufgedrängt, um besser auf die Bedürfnisse der notleidenden Bevölkerung reagieren zu können. 

Ansicht der Stadt Kabul von oben mit weissem Gebirge im Hintergrund.
Neben der Hauptstadt Kabul mit 4,3 Millionen Menschen besteht Afghanistan zu etwa drei Vierteln aus schwer zugänglicher Gebirgslandschaft. © DEZA

Für eine effektive Unterstützung der notleidenden Bevölkerung brauche es den direkten Dialog mit den Menschen, eine effiziente Koordination unter den Hilfsorganisationen vor Ort und ein gutes Verständnis der Situation. Das sei in allen Krisengebieten, wo humanitäre Hilfe nötig sei, so, nicht nur in Afghanistan. Die Mitglieder des SKH müssten unmittelbar und flexibel auf die Bedürfnisse der notleidenden Bevölkerung reagieren können. Dies sei nur mit einer Präsenz vor Ort möglich, sagt auch Eric Marclay, Büroleiter in Kabul. 

Wenn man nur alle zwei, drei Monate da ist, ist es schwierig, am Puls zu bleiben. Wenn man dort ist, kann man die Programme gezielt ausrichten auf die notleidende Bevölkerung.
Dominik Stillhart, stellvertretender Direktor der DEZA, im Interview mit SRF, 21.01.2024

Vom Kooperationsbüro zum humanitären Büro

Die Schweiz hat ihre Programme der Entwicklungszusammenarbeit nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 an die neuen Verhältnisse angepasst: Schwerpunkte bilden die humanitäre Hilfe, die Unterstützung der afghanischen Zivilgesellschaft – vor allem von Frauen und Mädchen – sowie die Ernährungssicherheit und klimaresiliente Landwirtschaft. Das ehemalige Kooperationsbüro in Kabul wurde dazu in ein humanitäres Büro umgewandelt. Für 2025 beträgt das Budget für die humanitäre Hilfe für Afghanistan 25 Millionen Franken, inklusive Betriebs- und Personalkosten. 

Zusammenarbeit mit Vertretern der Taliban beschränkt sich aufs Nötigste

Es wird keine Entwicklungsprogramme oder Finanzierungen mit den Taliban-Behörden geben. Das SKH-Team arbeitet eng mit Partnerorganisationen der Vereinten Nationen (UNO) wie zum Beispiel dem Welternährungsprogramm (WFP), dem UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), der Weltbank und internationalen und nationalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) zusammen. Die Kontakte der SKH-Mitglieder zu den lokalen und regionalen Behörden beschränken sich auf fachlich notwendige Aspekte der humanitären Hilfeleistungen.

Unsere Präsenz in Afghanistan ist einzig und allein dafür da, humanitäre Hilfe an der notleidenden Zivilbevölkerung zu leisten. Es geht hier wirklich nicht um Legitimierung oder den Beginn von diplomatischen Kontakten mit den Taliban.
Dominik Stillhart, stellvertretender Direktor der DEZA, im Interview mit SRF 21.01.2024

Die Taliban lassen die Schweiz ohne Vorbedingungen arbeiten. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor komplex und birgt erhebliche Risiken für alle Operationen im Lande. Die Schweiz verfolgt die Entwicklung der Lage vor Ort genau und verfügt über ein breit abgestütztes Sicherheitsdispositiv für ihr Personal.

Afghanistan

Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat sich die ohnehin schon desolate wirtschaftliche, politische, soziale und humanitäre Lage im Land zusätzlich verschlechtert. Die Bevölkerung leidet unter der systematischen Einschränkung der Menschenrechte durch die Taliban, wovon vor allem Frauen und Mädchen betroffen sind. Das Land ist geschwächt von fast 50 Jahren Krieg und Konflikt und leidet unter den negativen Folgen des Klimawandels. Seit 2021 sind gemäss dem UNHCR 1,6 Millionen Menschen aus Afghanistan geflohen und 3,6 Millionen Afghaninnen und Afghanen leben als Binnenvertriebene im eigenen Land.

Humanitäre Hilfe

Der humanitäre Auftrag der Schweiz ist universell, das heisst ohne geografische Einschränkungen. Bei der humanitären Hilfe steht das Leben der von Krisen, Gewaltsituationen, bewaffneten Konflikten und Katastrophen betroffenen Menschen im Zentrum, insbesondere die Wahrung ihrer Sicherheit, ihrer Würde und ihrer Rechte. Die humanitäre Hilfe ist untrennbar mit der Einhaltung des humanitären Völkerrechts, der internationalen Normen und der humanitären Prinzipien verbunden.

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