
Elisabeth von Capeller, wie hat die Schweiz Bosnien und Herzegowina in den letzten 20 Jahren unterstützt?
Während den ersten fünf Jahren leisteten wir humanitäre Soforthilfe: Nach dem verheerenden Krieg versorgten wir Menschen in Not mit Nahrung, Kleidung und Medikamenten. Den Rückkehrenden halfen wir beim Wiederaufbau ihrer Häuser und Betriebe, damit sie sich möglichst rasch wieder eine Lebensgrundlage schaffen konnten.
Seit dem Jahr 2000 haben wir unsere Zusammenarbeit immer mehr auf die längerfristige Entwicklung ausgerichtet, um die Transition des Landes im Hinblick auf eine vollständige Integration in Europa zu unterstützen. Dabei geht es auch um die Vermittlung von europäischen Werten wie sozialverträgliche Marktwirtschaft, Demokratie und Menschenrechte.
Was konnte die Schweiz erreichen?
Gemeinsam mit anderen Geberländern, nationalen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen konnte die Schweiz zu wichtigen Reformen in den Bereichen Gemeindeentwicklung, Jugendarbeitslosigkeit, effizientes Gesundheitswesen und Migrationsmanagement beitragen. Konkrete Resultate sind zum Beispiel die Einrichtung von modernen Schalterdiensten in Gemeindebüros, die Verbesserung der Trinkwasserversorgung, der Aufbau professioneller Gesundheitsdienste oder die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Unternehmensgründungen. Darüber hinaus hat die Schweiz auch neue Gesetze angeregt, welche für eine zukunftsorientierte Gesellschaft wichtig sind. Als multikultureller und demokratischer Staat gilt die Schweiz in vielem als Modell.
Wo steht Bosnien und Herzegowina heute, 20 Jahre nach Kriegsende?
Das Land leidet weiterhin unter drei Grundproblemen: Nach wie vor bestehen tiefe Gräben zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, d.h. den muslimischen Bosniaken, den meist katholischen Kroaten und den orthodoxen Serben. Die dreigeteilte Staatsstruktur ist kompliziert und der übergeordnete Zentralstaat schwach, was dringende politische Reformen behindert. Schliesslich ist der grauenvolle Bosnienkrieg bei Weitem nicht verarbeitet. Heute ist es schon ein Fortschritt, wenn sich die Menschen schrittweise wieder zu respektieren beginnen und versuchen, Wege des Zusammenlebens zu finden.
Was zeichnet das Schweizer Engagement vor diesem Hintergrund besonders aus?
Dank der langfristigen Präsenz hat die Schweiz in Bosnien und Herzegowina viel Vertrauen aufbauen können und gilt als glaubwürdiger Partner. Sie ist heute das fünftgrösste Geberland. Über die letzten 20 Jahre haben wir rund 600 Millionen CHF in Kooperationsprogramme investiert. Dabei fokussieren wir auf Bereiche, in denen die Schweiz besondere Erfahrungen beziehungsweise einen Mehrwert einbringen kann.