Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit, eine zuverlässige und flexible Akteurin

Die Direktorin der DEZA, Patricia Danzi, war kürzlich zu einem Arbeitsbesuch in Benin und im Tschad, zwei Schwerpunktländern der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz. Im folgenden Interview spricht sie über den Beitrag der Schweiz zur positiven Entwicklung Benins und die schwierige Situation im Tschad, der infolge der Krise im Sudan mit Flüchtlingsströmen konfrontiert ist. Sie erklärt auch, weshalb es wichtig ist, dass sich die Schweiz weiterhin in der Sahelzone engagiert.

DEZA-Direktorin Patricia Danzi und ein Vertreter des WFP stehen vor dem Flüchtlingslager in Adré im Tschad, an der Grenze zum Sudan.

Patricia Danzi vor dem Flüchtlingslager in Adré im Tschad an der Grenze zum Sudan. © DEZA/WFP

Politische und sicherheitspolitische Instabilität, Konflikte, Anfälligkeit für den Klimawandel, Ernährungsunsicherheit: Die Herausforderungen in der Sahelzone haben für die Menschen in Westafrika grosse Konsequenzen. Aber es gibt auch positive Entwicklungen in dieser Region, die langfristig unterstützt werden müssen, um die Armut nachhaltig zu verringern und zu einem dauerhaften Frieden beizutragen.

DEZA-Direktorin Patricia Danzi, die kürzlich zu einem Arbeitsbesuch in Benin und im Tschad weilte, spricht in diesem Interview über den Beitrag der Schweiz zur positiven Entwicklung Benins, die humanitäre Situation im Tschad infolge der Krise im Sudan und über deren Auswirkungen auf das längerfristige Programm. Sie erklärt auch, weshalb es wichtig ist, das Engagement in der Sahelzone fortzuführen, und wie die Schweiz ihre Hilfe an die sich ändernden Bedürfnisse in einem solchen Umfeld anpassen kann.

Benin und der Tschad sind Schwerpunktländer der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz. Sie zählen zu den ärmsten Ländern der Welt. Benin nimmt Rang 166 und der Tschad Rang 190 von 191 aufgeführten Ländern des Human Development Index der Vereinten Nationen ein.

DEZA-Direktorin Patricia Danzi und eine Kollegin vom Schweizer Kooperationsbüro in Benin sprechen in ihrem Lokal mit einer beninischen Gastwirtin.
Gespräch mit einer Gastwirtin in Benin: Die Schweiz trägt zur Stärkung der lokalen Wirtschaft bei und fördert ein nachhaltiges und integratives Wachstum. © DEZA

Interview

Frau Danzi, Sie haben kürzlich Benin und den Tschad besucht. Was war der Zweck Ihrer Reise?

Zunächst reiste ich nach Benin, wo ich mir ein Bild davon machen wollte, wie sich die zunehmende Instabilität im Sahel auf das Land auswirkt und wie sich die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit auf diese Herausforderung einstellt. Im Tschad wollte ich mich angesichts der Krise im Sudan über die aktuelle Lage und die Bedürfnisse vor Ort informieren und einen Einblick gewinnen, wie sich die Krise auf die Entwicklungsbemühungen im Land auswirkt.

Benin befindet sich auf einem positiven Entwicklungspfad. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Zunächst einmal ist Benin ein demokratisches Land, in dem regelmässig Wahlen stattfinden. Es verfügt über dezentrale Regierungsstrukturen, die die Entwicklung begünstigen. Die Behörden haben eine klare Vorstellung von Entwicklung und davon, wie die Grundbedürfnisse erfüllt werden sollen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Bildung und sind damit Schlüsselpartner. Zweitens ist Benin ein Küstenland mit starken Handelsbeziehungen in der Region. Es profitiert insbesondere von der Wirtschaft des Nachbarlandes Nigeria, einem wichtigen Wirtschaftsmotor. Benin ist auch ein zentraler Akteur im Handel zwischen der westafrikanischen Küste und den Sahelländern, der nach dem Staatsstreich im Niger vorübergehend unterbrochen wurde.

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit wird als zuverlässige und nahbare Akteurin wahrgenommen, die sich langfristig engagiert und anzupassen weiss. Sie ist in entlegenen und fragilen Gebieten aktiv. Dies sind unbestreitbare Stärken der Schweizer Zusammenarbeit.

Was trägt die Schweiz zu dieser positiven Entwicklung bei?

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit wird als zuverlässige und nahbare Akteurin wahrgenommen, die sich langfristig engagiert und bei Bedarf anzupassen weiss. Sie ist über die Hauptstadt hinaus in entlegenen und fragilen Gebieten aktiv, was ihr den Respekt der zentralen und lokalen Behörden und der Bevölkerung einbringt. Durch die Unterstützung der lokalen Regierungsstrukturen trägt sie zur Dezentralisierung und zur Stärkung des Zugangs zur Grundversorgung bei. Das ist sehr wertvoll. Die Behörden, mit denen ich mich getroffen habe, waren übrigens sehr überrascht, dass ich gleich nach meiner Ankunft in den Norden reiste, um mir vor Ort ein Bild von den Lebensbedingungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und der Arbeit unserer Partner zu machen. Dank unserer dezentralen Unterstützung bringen wir andere Entwicklungsakteure regelmässig dazu, ihrerseits einen dezentralen, auf die lokalen Bedürfnisse fokussierten Ansatz zu verfolgen. Schliesslich gelingt es uns, durch unsere regionalen Programme in den Grenzgebieten zu Burkina Faso und dem Niger Zugang zu Bevölkerungsgruppen in abgelegenen Gegenden zu erhalten und Brücken zu schlagen.

DEZA-Direktorin Patricia Danzi zu Fuss unterwegs mit beninischen Frauen und Männern.
DEZA-Direktorin Patricia Danzi besucht einen Viehmarkt. © DEZA

Benin ist in den Grenzgebieten zu Burkina Faso und dem Niger mit Sicherheitsherausforderungen konfrontiert. Wie wirkt sich das auf die Projekte in Benin aus?

Die zunehmende Unsicherheit in der Region wirkt sich nicht nur auf unsere Projekte, sondern auf das ganze Land aus. Die kürzlich erfolgte Schliessung der Grenze zum Niger hat die lokale Wirtschaft stark beeinträchtigt. So haben zum Beispiel die Gastwirtinnen, die wir beim Aufbau ihres Geschäfts begleitet haben, ihre Kundschaft verloren, weil die LKW-Fahrer nicht mehr durchfahren können. Mit dem Verbot der grenzüberschreitenden Wanderweidewirtschaft ging der Verkauf von Vieh zurück und die Märkte büssten mehr als die Hälfte ihres Handelsvolumens ein. Dadurch sind auch die Steuereinnahmen des Staates aus diesen Verkäufen gesunken. Zu erwähnen ist auch die steigende Zahl von Flüchtlingen aus den Nachbarländern, die einen starken Druck auf die lokale Bevölkerung ausüben.

Wir berücksichtigen die Fragilität stets in unseren Analysen und passen unsere Massnahmen an die sich ändernden Bedürfnisse an, indem wir die verschiedenen Instrumente der Schweizer Aussenpolitik situativ kombinieren.

Staatsstreiche in Mali, Burkina Faso und kürzlich im Niger. Die Sicherheitslage verschlechtert sich weiter. Weshalb ist es wichtig, dass sich die Schweiz weiterhin in der Sahelzone engagiert, und wie stellt sie die Wirksamkeit ihrer Projekte sicher?

Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass das Ziel die Wirkung ist, die wir als Schweiz im Sahel haben können. Dazu berücksichtigen wir die Fragilität stets in unseren Analysen und passen unsere Massnahmen an die veränderten Bedürfnisse an. Dabei kombinieren wir situativ die Instrumente der Schweizer Aussenpolitik, d. h. Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Friedensförderung. Ausserdem legen wir besonderen Wert auf die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden, was es uns in der Regel erlaubt, unser Engagement langfristig fortzusetzen.

Sollte sich die Schweiz in solchen Fällen nicht auf humanitäre Hilfe beschränken?

Das hängt von der jeweiligen Krisensituation ab. Ein gewaltloser Regimewechsel hat nicht unbedingt mehr humanitäre Bedürfnisse zur Folge, kann aber beispielsweise dazu führen, dass der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum und die Medienfreiheit gefährdet sind. Doch ganz gleich, um welche Krise es sich handelt: Wichtig ist, keinen der beiden Pfeiler zu vernachlässigen. Humanitäre Hilfe kann nicht die Lösung für eine politische Krise sein. Die Stärkung der Grundversorgung und der guten Regierungsführung bleibt eine Notwendigkeit.

Im Tschad zum Beispiel sind die humanitären Bedürfnisse infolge der Krise im Sudan massiv gestiegen. Fast eine halbe Million neuer Flüchtlinge kamen innerhalb von vier Monaten in einem Gebiet an, in dem die Strukturen unzureichend und schwach sind. Es braucht starke Strukturen, um Sicherheits- und Klimaschocks abzufedern. Eine Form der Hilfe schliesst die andere deshalb nicht aus. Es kommt sehr selten vor, dass man Entwicklungsfortschritte preisgibt und sich ausschliesslich auf die humanitäre Hilfe konzentriert. Das ist kontraproduktiv. Mit anderen Worten: Es ist keine gute Idee, sich ausschliesslich auf den Notfall zu konzentrieren und die Entwicklungsprioritäten des Landes in den Hintergrund zu stellen.

Fast eine halbe Million neuer Flüchtlinge sind innerhalb von vier Monaten in der Gegend um die kleine Stadt Adré angekommen, in der 40'000 Menschen leben und wo die Strukturen unzureichend und schwach sind.

Der Tschad ist eines der ärmsten Länder der Welt, hat aber dennoch seit Beginn der Krise im Sudan mehr als 400'000 sudanesische Flüchtlinge aufgenommen. Die Prognosen gehen von insgesamt 600'000 Flüchtlingen bis Ende des Jahres aus. Können Sie uns die Situation vor Ort beschreiben?

In der Hauptstadt N’Djamena sind kaum Veränderungen sichtbar. Im Osten des Landes, den ich besucht habe, ist die Lage allerdings anders. Hier sind sehr viele sudanesische Flüchtlinge angekommen, vor allem aus der Region Darfur. Fast eine halbe Million innerhalb von vier Monaten in einer Kleinstadt wie Adré, in der 40'000 Menschen leben. Die internationalen Organisationen vor Ort verfügen nicht über genügend Mittel, um die Bedürfnisse dieser Menschen zu decken.

Welche Unterstützung leistet die Schweiz, und was bedeutet das für das mittelfristige Programm?

Zunächst wurden zusätzliche Mittel aus unserem Nothilfefonds bereitgestellt. Es ist sehr wichtig – vor allem auch für die ansässige Bevölkerung –, dass wir den Gesundheits- und den Bildungssektor, die Ernährungssicherheit usw. weiterhin stärken können. Dies gilt nicht nur für die Region im Osten, sondern für das ganze Land. Der Tschad ist ein äusserst fragiles Land, in dem sich die Schocks häufen. Die Lage in den Nachbarländern – Libyen, Sudan, Zentralafrikanische Republik, Niger, Nigeria – und im Tschadseebecken ist kompliziert. Ich habe einen Radiosender besucht, der in mehreren lokalen Sprachen sendet und sich mit der Problematik des Tschadsees befasst. Er gibt der Bevölkerung die Möglichkeit gibt, ihre Anliegen vorzubringen, denn diese Problematik ist keineswegs gelöst. Das zeigt, dass beide Seiten des Tschad mit Gewalt und einer grossen Zahl von Vertriebenen konfrontiert sind.

Die Situation im Tschad ist aufgrund des hohen Armutsniveaus, der sehr unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und der beschränkten politischen Stabilität sehr komplex. Das Land befindet sich in einer politischen Übergangsphase und hat die Schweiz gebeten, es in diesem Prozess zu unterstützen.

DEZA-Direktorin Patricia Danzi steht neben einer jungen tschadischen Journalistin, Hawa Mahamat Adouma, von Radio Ndarason, und hält ein Transistorradio in den Händen.
Eine junge Journalistin von Radio Ndarason, Hawa Mahamat Adouma, überreicht DEZA-Direktorin Patricia Danzi ein kleines Transistorradio. © RNI

Eindrücke und Erfahrungsberichte

Alphabetisierungsprogramm in Benin

In Benin besuchten wir ein Alphabetisierungszentrum für Erwachsene, die eine Berufsausbildung erhalten, aber vorher keine Grundbildung absolvieren konnten. In ihrer Kindheit konnten sie nicht in Schule gehen, weil die Eltern kein Geld hatten. Sie mussten arbeiten, den Haushalt besorgen oder das Vieh hüten. Dieses von der Schweiz unterstützte Alphabetisierungsprogramm vermittelt ihnen Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Mathematik, die für eine erfolgreiche Berufsausbildung unerlässlich sind. Diese Frauen und Männer waren sich des Werts einer Grundschulbildung bewusst und versicherten uns, wie wichtig es ihnen sei, dass ihre eigenen Kinder zur Schule gehen können.

Flüchtlingslager im Osten des Tschad

Die Flüchtlinge aus dem Sudan, wo der gewaltsame Konflikt andauert, haben alles verloren. Sie schlafen seit mehreren Monaten in Notunterkünften und warten darauf, dass sie in ein Lager übersiedeln können. Mütter sind oft mit ihren Kindern allein. Sie haben ihren Mann verloren oder wissen nicht, wo er sich aufhält.

Bei meinen Begegnungen mit der ansässigen Bevölkerung erzählten mir mehrere Frauen, wie wichtig es für sie ist, dank eines Deichsystems, das von der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit unterstützt wird, Zugang zu bewässertem Land zu haben. Sie haben dadurch nicht nur ihre Produktivität gesteigert, sondern geniessen in ihrer Gemeinschaft und bei ihren Ehemännern auch mehr Respekt.

Radio Ndarason im Tschad

«Radio Ndarason spricht zu den Menschen in ihren Sprachen, das ist eine grosse Stärke», sagte Patricia Danzi bei ihrem Besuch. Das von der Schweiz unterstützte Radio Ndarason Internationale (RNI) schafft einen Raum für Dialog und bietet den Menschen in der Region ein Sprachrohr für ihre Anliegen. Die Gewaltausbrüche im Tschadseebecken treffen eine Region, in der die Grundversorgung in Bereichen wie Bildung und Gesundheit heute schon schwach ist und die kaum wirtschaftliche Perspektiven hat. Das Radio bietet praktische Instrumente an, um gegen Gewaltaufrufe von bewaffneten Gruppen wie Boko Haram vorzugehen und friedliche Lösungen für die Gemeinschaften zu fördern. Die Journalistinnen und Journalisten von RNI sind junge Leute, die von Radio Ndarason ausgebildet wurden und aus der Region stammen.  Sie finden leicht Zugang zu den Einwohnerinnen und Einwohnern, die dank dieser Verbundenheit offen über die Herausforderungen in ihrem Alltag sprechen.

Artikel über den Besuch der DEZA-Direktorin bei Radio Ndarasonon

Grusswort der Radiojournalistin Hawa Mahamat Adouma  im Namen aller Mitarbeitenden von Radio Ndarason (PDF, 2 Seiten, 226.2 kB, Deutsch)

Tschad

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